· 

Der Mensch - ein sinnliches Wesen

Unsere Haut ist durchzogen mit abertausenden Sinneszellen. Schon kleinste Berührungen bewirken eine Menge Gutes. Das Auflegen einer Hand, ein sanfter Druck, ein zärtliches Streicheln über Gesicht oder Rücken beruhigt und entspannt das gesamte Nervensystem. Die emotionale Aufladung, die dadurch entsteht, stimuliert die Thymusdrüse und diese wiederum reguliert die Produktion weißer Blutkörperchen und trägt entscheidend zur Stärkung unseres Immunsystems bei.

Ein Gefühl von Geborgenheit, Unterstützung und Gehaltensein wirkt sich auch positiv auf unsere Vitalität aus. Wir werden weniger krank und entwickeln ein widerstandsfähiges Immunsystem. Prolaktin, Serotonin, Dopamin und Oxytocin , die besonders bei Umarmungen vermehrt ausgeschüttet werden, stärken die innere Sicherheit und machen einfach ein gutes, heiteres Gefühl im Bauch. Angst und Stress werden reduziert, Aggressionen lösen sich auf, Vertrauen und Nähe entsteht. Und all dies ist der Nährboden für echte Beziehung und Bindung. Menschen, die häufig umarmt werden, erfahren nicht nur ein gesundes Verhältnis zu ihrem Körper, sondern entwickeln auch wichtige soziale Kompetenzen. Trösten und getröstet werden zum Beispiel. Wenn Kinder sich weh getan haben oder traurig sind, wollen sie umarmt werden. Sie brauchen Körperkontakt und Nähe. Das trocknet ihre Tränen schnell. Doch nicht nur Berührungen wirken Wunder. Jemanden riechen oder schmecken, seine Stimme nah bei sich hören oder ausgiebig betrachten können, ist zudem eine wichtige sinnliche Erfahrung. Es ist wie ein 'Ertasten' seines Wesens. Wir brauchen es, um einander zu erkennen.

 

Wenn die Angst uns wachsam macht

Treffen wir auf einen anderen Menschen, so ist das ja in erster Linie eine Begegnung – nicht etwa eine Keimquelle. Aus lauter Vorsicht halten wir in diesen Zeiten aber Distanz. Wir weichen einander auf dem Gehweg aus und halten andere Menschen für potentiell gefährlich. Wir waschen unentwegt die Hände und zerstören damit die natürliche Schutzschicht der Haut.

Doch was passiert eigentlich mit unserem Immunsystem, wenn wir statt Nähe, Vertrauen und Berührung zu erfahren, in eine Haltung der Angst verfallen? Angst macht uns eng. Sie macht, dass wir uns zusammenziehen. Der Atem wird flach, die Lungen werden weniger belüftet, es wird weniger Sauerstoff in die Zellen transportiert, wir werden fest und verkrampft. Stresshormone werden ausgeschüttet und Puls und Blutdruck steigen. All das sind keine so günstigen Voraussetzungen für ein gesundes Immunsystem.

 

Auch was Kinder im Augenblick erleben, stärkt nicht gerade das Vertrauen ins Leben.

Die Nähe zu Großeltern, Freunden, Lehrern, Schulkameraden und Erziehern scheint plötzlich bedrohlich geworden zu sein. Man kann dieses Virus weder sehen, noch hören, noch anfassen, noch riechen … und dennoch haben alle davor Angst. Zumindest halten die Menschen jetzt so komisch Abstand und sie umarmen und berühren sich nicht mehr. Außerdem verhüllen plötzlich alle Menschen ihre Gesichter. Oft schauen nur noch die Augen heraus und so kann man schlecht erkennen, ob der andere gerade lächelt oder traurig ist. Ist er müde, missgestimmt oder fröhlich? Und mehr als sonst sehen die Augen jetzt ängstlich aus und manchmal auch, als wäre gar niemand anwesend.

 

Noch bevor Kinder Worte verstehen oder Laute bilden können, erfassen sie intuitiv die Mimik ihres Gegenübers. Sie können sie 'lesen'. Zur Mimik eines Erwachsenen gehört viel. Ein Stirnerunzeln ebenso wie ein Nasekräuseln, ein Lächeln, ein Mundwinkel hängen lassen, ein Grinsen, ein Wangen hochziehen....

Mehrmals habe ich derzeit im Straßenbild Kinder gesehen, die fragend und suchend und länger als sonst in die Gesichter der Erwachsenen schauen. In etwa so, als würden sie angestrengt versuchen, etwas zu lesen. Da die feinen Regungen hinter einer Maske verborgen sind, bleibt oft nur ein stummes Fragezeichen im Gesicht des Kindes, gepaart mit Unsicherheit und Irritation.

 

Man könnte sagen, die Gesundheit der Kinderseele steht gerade auf wackeligen Beinen.

 

Kinder sind Entdecker, Forscher und Beobachter. Voller Lebenslust und Neugier erkunden sie die Welt. Das unbekümmerte Spielen, das sich Necken, sich Raufen, Anstupsen, nah beieinander Stehen ist Ausdruck von lebendigem Kontakt. Springen, rennen, klettern, stille stehen, nah sein, fern sein.... sind spontane, unkontrollierte Äußerungen des kindlichen Daseins. Es folgt keinen Regeln, sondern ist frei und unbedarft. Es drückt sich aus, wie es sich fühlt. Wunderbar.

 

Kinder spielen aus dem gleichen Grund, wie Wasser fließt und Vögel fliegen.“

Fred O.Donaldson

 

Kreidekreise mit einzelnen Kindern darin, Abstandsstangen, Desinfektionsschleusen am Eingang, Mundschutz und Kontaktverbot auf dem Schulhof sind demzufolge nicht die besten Ideen für die körperliche und seelische Gesundheit unserer Kinder. Angst, Distanz und Strafe sind zudem Mittel der schwarzen Pädagogik. Kinder lernen auf diese Weise, der Furcht zu gehorchen. Nicht etwa ihrer natürlichen, sinnlichen Erfahrung zu vertrauen oder eine sinnvolle Gesundheitsvorsorge zu betreiben.

 

Wie wäre es,

wenn wir stattdessen unseren Kindern beibringen, was ihre Gesundheit fördert, was sie stärkt und was zu einem positiven Selbstverständnis führt?

Um Kindern (nicht nur in Zeiten wie diesen) ein positives Selbstverständnis und einen guten Umgang mit Gesundheit und Krankheit zu vermitteln, braucht es ein echtes Gegenüber. Es braucht Erwachsene, die ein Beispiel darin geben, liebevoll und achtsam für sich zu sorgen. Angst und Panik sind dabei keine guten Ratgeber. Eher hilft hier das praktische Leben. Die vielen kleinen Alltäglichkeiten, Berührungen, Umarmungen und Fürsorglichkeiten. Mit all ihren Wundern und Selbstheilungskräften.

Die SelbstWIRKSAMKEIT ist dabei ein großes Zauberwort. Die Kraft stärken, selbst das Gute bewirken zu können. Etwas dazu beitragen können, den Körper gesund zu erhalten. Und darin Gemeinschaft, Wohlgefühl und Stabilität zu erleben. Dies setzt eine solche Kreativität und Kraft frei, dass die Kinder hier wirklich etwas fürs Leben lernen!

 

Zum Beispiel könnte es in Kindergärten und Schulen (spätestens jetzt vermehrt) Kurse und Projekte geben, die ein gesundes Immunsystem in den Mittelpunkt der Erforschung stellen. Was braucht es, um eine gute Luft zu atmen? Wie funktionieren die Atemwege?Was genau bewirkt Sonnenlicht, Bewegung und gute Laune für unsere Immunabwehr? Was gehört zu einer ausgewogenen, vitalstoffreichen Ernährung? Wie können wir unser Essen achtsam zubereiten?

 

Es könnte kleine Kräuterwanderungen geben, bei denen die Kinder die heimischen Heilkräuter und ihre Wirkungen kennenlernen. Einfache Rezepte für Tees und Kräutertinkturen könnten ausprobiert werden. Was wächst in der Natur gegen Husten, Schnupfen, Heiserkeit? Wie wenden wir das an?

Was braucht man zum Wasserfiltern? Wie macht man ein Feuer? Wie backt man ein Brot?

Oder wie wäre es mit einem erfrischenden Experiment nach Sebastian Kneipp?

In eiskaltem Wasser waten...auf einen Fühlpfad laufen. Wettschwimmen, Angeln im See...

Wie wäre es, beim Bio-Bauern Gemüse zu ernten oder Tiere im Tierheim zu betreuen?

Welche Früchte aus dem Wald kann man essen? Vielleicht bei einem köstlichen Picknick in der Natur.

Für die natürliche Resilienz unserer Kinder könnten solch gelebte Beispiele durchaus hilfreich sein. Gerade jetzt! Aber auch weit über die momentane Krise hinaus...

Ein Clown-Kurs könnte für unerhörtes Gelächter sorgen, ein Violinenkonzert echte Rührung hervorbringen, Akrobatik, Tanzen und Kinderyoga könnten ausgleichende Bewegung lehren, ein Tastparcours die Sinne erwecken.

Ältere Menschen in den Heimen zu besuchen würde die Nächstenliebe stärken und Krankheit und Tod als einen Teil des Lebens wieder sichtbar machen.

Im Kindergarten können die kleinen Ärzte und Krankenschwestern Verbände machen, Hände auflegen, zuhören und trösten lernen.

 

All das und noch unendlich viel mehr können wir tun und anregen, um unsere Kinder auf das Leben vorzubereiten. So lernen sie etwas über ihren Körper, über Achtung vor dem Leben, über Mitgefühl, Vertrauen und Gesundheit. Das stärkt sie, seelisch und körperlich. Es schenkt ihnen Sinn und Freude. Es ist ihnen ein Beispiel. Es macht sie zu handelnden, offenen Menschen - nicht zu Verschreckten. Es vermittelt ihnen, das Körper, Seele und Geist eine Einheit sind. Eine Einheit die gibt und empfängt und verbunden ist mit dem großen Wunder, das Leben heißt.

 

 

 

 

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0