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Die Lavendelörin

 

Aus der Kinderserie SELTENE BERUFE stelle ich Euch nach den Berufen der Rhabarberin und der Brokkolistin hier den Beruf der Lavendelörin vor.

Die Berufsbeschreibungen der anderen ungewöhnlichen Berufe findet Ihr demnächst in meinem neuen Kinderbuch.

Die Lavendelörin wohnt in einem kleinen duftenden Häuschen, auf einem betörenden Lavendelfeld, mitten in der Provence. Sie sagt, das ist in Frankreich. Das könnte stimmen, denn sie redet immer ein bisschen vornehm. Um sie zu besuchen, muss man sehr weit fahren. Und ist man dann da, braucht man gute Augen, um sie überhaupt zu finden. Sie ist so zierlich, dass man sie eigentlich nur an ihrem kleinen Strohhut erkennt, wenn er zwischen den Stängeln auftaucht und wenn sie gerade steht. Das ist nicht so oft, weil sie lieber liegt. Die Lavendelörin ist meist sehr entspannt. Das liegt wohl daran, dass sie siebenmal am Tag ein kleines Schläfchen hält. Dazwischen, falls sie nicht gerade von etwas Schönem träumt, sammelt sie kleine lila Lavendelblüten. Ihr Zeigefinger und ihr Daumen sind etwas breiter als die anderen Finger und auch schon etwas platt. Das kommt vom vielen Reiben. Kurz nach dem Aufstehen, so gegen um zwölf, geht sie nämlich durchs Feld und testet, ob die Blüten schon ein bisschen duften. Sie zupft ein paar von jedem Stängel ab, zerreibt sie zwischen ihren Fingern und schnuppert dann daran. Eigentlich bräuchte sie die anderen Finger für ihren Beruf gar nicht. Zwei würden reichen. Wenn sie an den Blüten geschnuppert hat, ruft sie „Mon dieu“ , dann wird ihr ein wenig schwummrig und sie schlummert ein. Manchmal duftet es so stark, dass sie nach dem Aufwachen den Weg nicht mehr weiß und etwas umherirrt. Das macht aber nichts. Sie macht dann erstmal ein Päuschen, holt sich ein Croissant aus der Tasche und bestreicht es mit Lavendelmarmelade, dazu gibt’s einen Milchkaffee. Dann fällt ihr wieder ein, wo sie zuletzt war. Und an genau der Stelle macht sie weiter.

Wenn die Lavendelörin mehr als sieben mal am Tag einschläft, weiß sie, dass der Lavendel reif ist. Um ihn zu ernten, zieht sie sich feierlich ihr zartestes Chiffonkleid an, nimmt ihren lila Kamm aus dem Haar und streift damit alle Blüten in ihren Korb. Dann taumelt sie nach Hause und schläft ihren Blütenrausch aus. Wenn sie wieder wach ist, kocht sie sieben Tage lang die feinsten Delikatessen und feiert mit all ihren Freunden das Lavendeldankfest, mit ganz viel Wein und Chansons.

Die Lavendelörin hat einen schönen Beruf. Sie muss sich den ganzen Tag um nichts anderes kümmern, als um Lavendel.

 

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