· 

Aufgeschrieben

Ich bin ein Mensch, der sich immer um irgendetwas bemüht hat.

Unendlich viele Stunden habe ich mit dem Versuch verbracht, die Welt zu verändern. Meine eigene und die große weite da draußen.

Ich wollte gern das Richtige tun. Ich glaube deine und meine Lebensgeschichte ist voll von Versuchen, ein guter Mensch zu sein. Zu helfen, zu lieben und nicht zu versagen. Und die inneren Gespenster in Schach zu halten.

Ich hatte immer Ziele. Sie waren es mir wert, über Berge und durch Täler zu gehen. Die Quelle dieses Strebens schien unerschöpflich. Kaum hatte ich ein Ziel erreicht, gebar sich schon ein neues. Manchmal war Zähigkeit meine Stärke und manchmal die Fähigkeit, alles stehen und liegen zu lassen. So hatte ich bisher ein ziemlich buntes Leben. Du bestimmt auch, oder?

Wenn jemand starb, den ich liebte, hielt ich kurz inne. Wie im Schock. Und ich fragte mich: „Wohin renne ich eigentlich? Wohin will ich gehen?“ Und in diesen Momenten machte keins meiner Ziele mehr Sinn. Denn alles was ich erreicht hatte, würde nichts bedeuten, jenseits der Bühne, die mein Leben war.

Das waren Augenblicke, in denen die Dramen und Komödien meines Lebens mitten im Akt anhielten. Kostbare Augenblicke.

Ihr träumendes Spiel war unterbrochen.

Bis es von neuem anhob und sich wieder in sich selbst verlor...

 

Doch seit einiger Zeit entwirft mein innerer Regisseur keine neuen Stücke mehr. Es fiel mir erst gar nicht auf. Denn die Schauspieler sprechen noch immer ihren Text. Keine neuen Proben oder Premieren, keine neuen Kulissen, keine hehren Ziele mehr.

Es ist vielmehr so, dass ein Tag nach dem anderen geschieht. Einfach so. Mal scheint die Sonne, mal weht ein Wind. Wo ich liege, hat mein Bett hat eine Kuhle. Draußen singt ein Vogel. Ein Anruf kommt. Es wird gesprochen. Im Radio wird diskutiert. Ein Kind lacht. Ich atme. Das Licht wirft Muster an die Wand. Keine Ziele.

 

Ich koste eine Himbeere. Den Arm auf den Küchentisch gestützt, schieb ich sie mir in den Mund.

Süß und weich ist sie.

 

Vor mir liegt ein Zettel und ein Stift. Da schreib ich es hin:

 

DU BIST HIER.

DAS GENÜGT.

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0