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Wo die Musik spielt

Es war einer jener kostbaren Momente, in denen man nichts vorhat oder will oder denkt. Ich saß auf meiner Couch und hörte Musik.

Drinnen die Cello Suite in G Major von J.S. Bach und draußen den Klang der Sonntagsglocken und die sanften Töne eines Windspiels vom Balkon. Der Wind rauschte durch die Baumwipfel und ab und zu wehte ein Hauch herein. Die Sonne warf kleine Lichtpunkte auf Wand und Dielen, der Duft von Kaffee lag in der Luft. Der Raum füllte sich mit Tönen und Farben...und ich weiß nicht wie...sie begannen miteinander zu tanzen. Ihr Reigen war leicht und erhaben, verspielt, leuchtend. Mich durchströmte eine solche Freude, dass ich für Augenblicke darin verschwand...

Heute würde ich sagen, der Himmel hatte an diesem Tag ein kleines seiner Tore geöffnet. Von Eva Maria die ich dort traf, werde ich an anderer Stelle noch erzählen....

Seitdem breitet sich etwas in meinem Bewusstsein aus, dass ich die Erinnerung an Frieden und Schönheit nennen würde. Von diesem Ort aus, der kein Ort ist, lebt es sich ganz anders. Vieles in meinem Leben hatte mich das vergessen lassen. Und doch ist es meine Heimat.

Und so werden die Momente häufiger, in denen ich keinen Grund mehr erkennen kann, mich mit negativen Dingen zu beschäftigen. Damit meine ich nicht jene natürlichen Erfahrungen wie Trauer oder Schmerz, die im Leben jedes Menschen auftauchen. Ich meine auch nicht die Dinge, die wir im Alltag regeln und um die wir uns kümmern müssen...ganz praktisch, weil es not-wendig ist. All das geschieht und wird getan.

 

Jedoch beschäftige ich mich seltener mit der Frage wer Schuld hat, wie man sich wehren kann oder was andere tun müssten, damit ich glücklich sein kann. Die kleinen Spitzen im Alltag, die unbedachten Worte und Gesten, die Ungereimtheiten, die Nachlässigkeiten, die wie Glasscherben an unserem Wegesrand liegen, be-kümmern mein Herz nicht mehr lange. Meine Aufmerksamkeit bleibt nicht länger dort hängen, als es braucht, um sie wahrzunehmen. Das Unheilsgetöse der Nachrichtensender, all die Gründe und Hintergründe dieser Zeit sind wie Geräusche in einem Film – man kann zuweilen entspannter hinsehen, wenn man den Ton ausschaltet. Nicht nur, dass man dann deutlicher sieht, was geschieht - das Herz verliert in der Rolle des Betrachters auch seltener seinen Rhythmus.

 

Statt mich intensiv damit zu beschäftigen, woran die Welt krankt – denn das tut sie vor allem an sich selbst – rieche ich lieber die Linden, die in voller Blüte stehen. Ich freue mich an jedem Augenblick, an dem ich in das kleine Gesicht meines Enkels schauen kann. Ich staune über den Flug der Schwalben über meinem Haus. Ich weine, wenn Musik mein Herz berührt und ich tanze, wenn mir danach ist.

In einem Film sah ich neulich, wie ein Mann einem anderen empfahl, doch mal für eine Minute ganz still zu werden, die Augen zu schließen und an all die Menschen zu denken, durch deren Liebe man das Wesen geworden ist, das man jetzt ist....

Ich habe es gemacht....und kann nur jedem empfehlen, das mal zu tun!

 

Es ist ein Richtungswechsel mit enormer Wirkung. Auf das schauen, was man meist übersieht. Die Liebe in deinem Leben! All die Gesten des Mitgefühls, der Hingabe, der Zärtlichkeit... Die Geduld, die Güte, das Lachen.

Und hast du schon mal bemerkt, wie still es wird, wenn du darauf schaust?

Du bist heute Morgen aufgewacht. Du hast etwas gegessen, was dir schmeckt. Es ist Sommer. Du hast eine Wohnung und wahrscheinlich hängen darin Bilder. Was siehst du darauf? Ich vermute Dinge die du schön findest und Menschen, die du liebst....

Das Wasser, das aus deinem Hahn fließt ist kühl und klar. Dein Kissen ist weich, durchs Fenster kommt Luft herein....

Du meinst, das ist selbstverständlich?

Nein, das ist es nicht.

 

Es ist das Leben, das du übersiehst und alle Geschenke darin...während du damit beschäftigt bist, Probleme zu wälzen. Während du Gründe suchst für Dein Unglück. Du glaubst, dass du erst morgen glücklich sein kannst, wenn alles besser ist, wenn die Welt wieder bei Verstand ist. Doch das wird sie niemals sein.

Die Welt ist, was sie ist. Vor allem ist sie gerade ein Ort, an dem die Menschen das Naheliegendste übersehen. Sich selbst! Das Leben, das sie sind. Selbst! Die Liebe, die sie sind. Selbst. Die Schönheit, die Freude, die sie sind. Selbst.....

 

Es ist nur ein kleiner Switch im Bewusstsein und alles ist wieder an seinem Platz. Es war nur verrückt...

Wann immer es dir einfällt...in dich hineinfällt.... komm einfach zurück. Zu dir.

Denn hier spielt die Musik.

 

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Kommentare: 7
  • #1

    Miriam S. (Sonntag, 26 Juni 2022 17:24)

    So wunderschön, die Worte und die Botschaft. Herzlichen Dank, liebe Frauke!

  • #2

    Rita (Montag, 27 Juni 2022 07:18)

    Ja, sehr berührend wieder mal, liebe Frauke, vielen Dank

  • #3

    Silvia Stanhope (Montag, 27 Juni 2022 14:56)

    Sehr schöne Botschaft liebe Frauke. Grüße aus dem Allgäu♥️

  • #4

    Petra M. (Montag, 27 Juni 2022 22:34)

    Dein Schreiben ist für mich Schönheit und Ruhe - Danke dafür.

    LG

  • #5

    Frauke (Dienstag, 28 Juni 2022 12:23)

    Danke für die schönen Rückmeldungen! ♥️

  • #6

    Petra Stern (Dienstag, 28 Juni 2022 13:45)

    Hallo liebe Frauke,
    Freue mich sehr über deine Worte - fühle Dich ganz fest umarmt �

  • #7

    Monika (Mittwoch, 29 Juni 2022 11:41)

    Habe gerade noch einmal Deine schönen Zeilen gelesen. Deine liebende Seele ist wohltuend erkennbar. Die kurze Übung und Deine Gedanken rücken meine Dankbarkeit wieder in den Mittelpunkt meines Lebens...