Gestern hat es mich mal wieder nach draußen gezogen. Ich meine länger, als nur für einen Spaziergang. In den Wochen zuvor hatte ich mehr Stunden an Schreibtisch und Computer verbracht, als mir lieb war.
Ich ging auf eine Weise los, wie es mir am liebsten ist: ohne Ziel. Das heißt, ich entscheide erst an Wegkreuzungen und Haltestellen, ob links oder rechts, S-Bahn oder laufen, aussteigen oder sitzen bleiben, Süden oder Westen. Ich landete am Griebnitzsee. Am Anfang meines Weges sah ich viele Villen mit hübschen Gärten davor. Sehr gediegen, doch das interessierte mich nicht so. Also fragte ich mich durch nach einem direkten Zugang zu Wasser und Wald. Und bald schon stand ich tatsächlich auf einem kleinen Uferweg am Waldesrand. Akazienblüten hingen mir ins Gesicht, das Wasser plätscherte in sanften Wellen an das sandige Ufer, Amseln raschelten im Unterholz und alles duftete unerhört nach Mai. Nach Blüten und Honig und Wasser und Grün und warmer Erde. Ruderkommandos und Motorboote hallten in der Ferne. Und ab und zu wehte mir der Wind die Düfte und Töne in einem wilden Tanz ins Gesicht. Das war ein Fest für meine Sinne und ich muss sehr fröhlich ausgesehen haben, weil die einzigen drei Fußgänger, die mir während meiner Wanderung begegneten, mich kurz fragend ansahen und dann grinsten.
Anfangs schlenderte ich noch, doch dann hatte ich so eine Lust auf Bewegung und der Körper geriet von allein in eine andere Dynamik. Die Sonne glitzerte durch die Zweige und ich stapfte energisch durch den Wald. Ich merkte, wie sich etwas löste, was sich anfühlte, wie zuvor zusammen gestauchte und innen gehaltene Energie. Jetzt begann sie einfach zu strömen. Erst zögerlich, dann überall. Beine, Arme, Bauch, Kopf und Herz. Fingerspitzen und Zehen. Alles wurde wieder lebendig. Es kitzelte und bitzelte und wollte sich ausdehnen und noch mehr ausdehnen und ganz von innen aus mir in die Bewegung fließen. Und dann über die Bewegung hinaus.... So ging das eine ganze Weile. Nein eher: Es ging mich. Das Leben ging mich.
Erst nach etwa einer Stunde hielt mein Körper inne und ich setzte mich auf einen Baumstamm. Kaum saß ich, fielen mir leise Tropfen ins Gesicht. Es begann zu regnen. Der Himmel hatte sich verdunkelt und ich hörte Donner näher kommen. „Okay!“ dachte ich mir, „kein Schirm, keine Jacke, kein nix dabei!“ Ich lachte, denn das gefiel mir irgendwie. Ich mag Gewitter. Der Regen wurde stärker und ich stellte mich unter einen verwachsenen Baum, dessen Stamm mir etwas Schutz gab. Das Donnern wurde lauter und auf dem Wasser rasten fluchende Ruderer vorbei. Erste Blitze krachten und ich entschied mich, etwas tiefer in den Wald hineinzulaufen. Die Wege wurden schnell zu kleinen Bächen und ich bewegte mich nun hüpfend fort, mit eingezogenem Kopf, so als könnte ich noch irgendwas vor der Nässe retten. In der Nähe eines Bootshauses klettere ich an Zäunen entlang, wobei meine Schuhe in einer tiefen Schlammpfütze absoffen. Dann begann ein solcher Sturm loszufegen, dass Äste neben mir runterkrachten. Also schloss ich Freundschaft mit einem größeren Ahornbaum und umklammerte ihn inniglich. Lange. Und als ich da so stand, mir die Blätter ins Gesicht schlugen, es donnerte und krachte und der Sturm den Regen fast waagerecht an mich heranpeitschte, löste sich wieder etwas. Nämlich der Versuch, irgendwas zu retten. Ich ließ den Baum los, rannte mitten in den Sturmregen, begann laut zu johlen und war völlig durchflutet. So kam es an diesem Tag, dass mich die Kraft der Natur einfach mit sich genommen hat.
Wann erlebt man schon mal etwas derartig Gutes?!
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